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SENIOREN
Biock:
Ich glaube, dass sich Leben und Stillstand aus-
schließt. Es ist eine Illusion, von Stillstand zu sprechen,
weil man immer irgendwie in Bewegung ist – mal etwas
schneller, mal etwas langsamer. Es lässt sich leicht von
außen sagen „Schau mal, da herrscht Stillstand“, wenn
sich im offensichtlichen Sinne etwas nicht bewegt. Aber
natürlich herrscht niemals Stillstand – weder in einem
Menschen noch in der Natur. Leben ist Veränderung.
Punkt. Natürlich kann man dann aber auch differen-
zieren: Wie aktiv möchte ich damit umgehen? Wie sehr
möchte ich das reflektieren? Wie sehr möchte ich Verän-
derungen herbeiführen?
Inwiefern übt trotz aller Ziele die Improvisation oder
auch die Spontanität einen Reiz auf euch aus?
Fries:
Es gibt immer wieder Situationen, in denen man
spontan handeln muss. Das birgt allerdings immer auch
die Gefahr, dass die Entscheidung, die man trifft, nicht
die richtige ist. Ich ziehe es vor, Dinge in Ruhe zu analy-
sieren und anschließend entsprechend zu handeln. Ich
kann sagen, dass meine Spontanität Entscheidungen
hervorgerufen hat, die ich wahrscheinlich so nicht noch
einmal treffen würde. Gleichzeitig hat meine Spontanität
aber immer auch schon positive Entscheidungen bewirkt.
Insgesamt ist das immer schwer abzuwägen. Wer keine
Entscheidungen trifft, kann sich nicht bewegen. Fehler zu
machen, gehört dazu und ist sehr wichtig.
Biock:
Die Frage ist auch aus organisatorischer Sicht
durchaus interessant. Aus meiner Sicht gibt es zwei Pole:
die Organisation auf der einen und die Improvisation auf
der anderen Seite. Die große Herausforderung ist es, den
Spagat zu schaffen und die Organisation so aufzustellen,
dass Spontanität bzw. Improvisation nicht unmöglich
ist. Wenn du das nämlich tun würdest, würdest du jede
Organisation eines Unternehmens bzw. Vereins zerstö-
ren. Du musst es also schaffen, auf der einen Seite zu
organisieren, Orientierung zu geben und die Verwaltung
des Apparats möglich zu machen, aber gleichzeitig das
Ideenreichtum und die unterschiedlichen Kompetenzen,
es in einer Organisation ohne Ziele nicht funktioniert.
Wenn niemand weiß, in welche Richtung es eigentlich
gehen soll, fällt es schwer, zusammen zu arbeiten und
gemeinsam Ziele zu verfolgen. Die spannenden Fragen
sind dann: Wie gehe ich mit den Zielen um? Wie breche
ich Ziele herunter? Wie beteilige ich Menschen? Wie set-
ze ich überhaupt Ziele? Wir befinden uns ja hier schließ-
lich immer noch in einem Verein, in dem demokratische
Verhältnisse herrschen. Es darf nicht sein, dass Ziele von
oben nach unten gemacht werden und die Menschen Zie-
le vorgegeben bekommen, die sie zu befolgen haben. Das
sind die spannenden Kleinigkeiten, die gemeinsam aus-
gearbeitet werden müssen.
Fries:
Ohne Ziele wäre ich nicht der Mensch, der ich bin.
Ich finde, dass Erfahrungen da eine ganz große Rolle spie-
len und dass man ganz viel von den verschiedenen Men-
schen lernen kann, die einen umgeben. Es ist für mich
eine Lebensnotwendigkeit, sich persönliche Ziele zu set-
zen. Wie du richtig bemerkt hast, bin ich sehr zielstrebig
und sehr zielorientiert. Die Menschen aus meinem Um-
feld wissen das natürlich auch. Ziele sind für mich die Ba-
sis für mein Leben. Sich selber einzugestehen, dass man
Ziele auch mal nicht erreicht hat, ist übrigens überhaupt
keine Schwäche – im Gegenteil. Es ist mir dabei unheim-
lich wichtig, respektvoll mit den Mitmenschen umzuge-
hen und Verständnis zu haben. Das lässt sich natürlich
auch auf den Verein übertragen. Die Menschen müssen
die Ziele mitgehen wollen. Es ist nichts damit gewonnen,
dass ein Geschäftsführer die Ziele vorgibt und die Aus-
führung dieser Ziele verlangt. Da muss man immer wieder
Kompromisse eingehen. Das hat mich auch in meiner Per-
sönlichkeit reifen lassen, wofür ich dem Verein auch sehr
dankbar bin. Ich bin froh, dass ich das alles miterleben
darf und stolz darauf, die unterschiedlichen Charaktere
im Verein kennenlernen zu dürfen. Am Ende zählt einzig
und allein die Zufriedenheit des einzelnen Menschen.
Was macht Stillstand mit euch?
Fries
(grinst)
:
Sowas kenne ich nicht.




