Kommentar :Wettbewerb adé

Weil der Gegner aus Elsenroth kurzfristig in Personalnot geriet, fiel das Wochenspiel unserer Ersten Herren am Mittwoch flach. Es ist nicht das erste Mal, dass unsere Männer eine Zwangspause einlegen müssen: Ein sehr ähnlicher Vorgang war unserer Mannschaft schon gegen den Tabellenletzten Dümmlinghausen widerfahren. Dahinter steckt eine Praxis, die den Wettbewerb gefährdet, meint Benjamin Gries.

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Zeige Bild in LightboxDie sportliche Fairness nimmt beim Fußball einen großen Platz ein und muss deshalb besonders geschützt werden
Die sportliche Fairness nimmt beim Fußball einen großen Platz ein und muss deshalb besonders geschützt werden

Wer kennt sie nicht, die Geschichte von David, dem Krieger, gegen Goliath, dem Riesen? Die Geschichte vom einfachen Krieger, der sich als einziger seiner Kollegen gegen den übermächtigen Riesen zur Wehr setzt und den Kampf am Ende tatsächlich für sich entscheiden kann, ist die schöne Erzählung in der Bibel vom kleinen Mann, der sich mit Mut und Intelligenz dem großen Mann gegenüberstellt und dafür schließlich eindrucksvoll belohnt wird.

Am Mittwoch stand wieder solch ein Duell David gegen Goliath auf dem Plan: Elsenroth 2, aktueller Tabellenvorletzter der Kreisliga C, gastierte bei unserer Ersten Herren, ungeschlagener Tabellenführer der Kreisliga C. Während es für die Gäste in den ausstehenden Spielen ausschließlich um den Klassenerhalt geht, hat unsere Mannschaft den Aufstieg bei 15 Punkten Vorsprung auf den ersten Verfolger fest im Blick.

Mehr David gegen Goliath geht nicht

Die Rollen schienen also schon vor dem Anpfiff klar verteilt zu sein. Die Punkte- und Qualitätsunterschiede zwischen den beiden Mannschaften waren für das Vorstellungsvermögen vieler Zuschauer schlichtweg zu groß, um von einer Überraschung träumen zu können. Warum sollte man dann eigentlich noch antreten?

Das schienen sich auch die Gäste aus Elsenroth gedacht zu haben. Sie sagten das Spiel kurzfristig ab. Offiziell war die Mannschaft in Personalnot geraten, inoffiziell schien man einfach zu großen Respekt vor einer hohen Niederlage bzw. zu wenig Mut für die eigene gute Leistung zu haben.

Dass die offizielle Begründung nur eine fadenscheinige Begründung zu sein scheint, kann man erahnen, wenn man mit den gegnerischen Trainern und Spielern spricht und diese auf Nachfrage selbst nichts von einer angeblichen Personalnot wissen.

Plausibler ist da die inoffizielle Variante. Dabei reiht sich das beschriebene Verhalten nahtlos in das Verhalten anderer Vereine ein, das man in den letzten Jahren vielerorts beobachten konnte. Mannschaften, die mitten im Abstiegskampf stecken, sagen Spiele gegen Mannschaften, die um den Aufstieg spielen, aus Sorge vor einer hohen Niederlage ab.

Dafür kann man eigentlich keine Worte finden. Wir tun es dennoch.

Abkehr vom Wettbewerb

Das Verhalten vieler Vereine widerspricht den Grundgedanken des Wettbewerbs. Hätte David im Aufeinandertreffen gegen Goliath damals genauso agiert wie es viele Mannschaften jetzt zu tun scheinen, wäre der Kampf schon vor dem Beginn entschieden gewesen. Dass David es nicht tat, verhalf ihm zu Ruhm und Ehre und dazu, dass man noch heute von ihm spricht. 

Wir lernen im Fußball schon von Kindesbeinen an, uns im Wettbewerb zu messen. Während es bis zu den U13 Junioren vor allem darum geht, den Spaß am Sport und der Bewegung zu vermitteln, treten mit zunehmendem Alter auch immer mehr die Ergebnisse in den Vordergrund. Wir wollen Fußball spielen, Spaß haben und dadurch Siege einfahren – egal, ob wir gegen den gleichwertigen Tabellennachbarn oder den übermächtigen Tabellenersten spielen. Wofür? Für Ruhm und Ehre. Wir freuen uns über Siege, sind zerknirscht über Unentschieden und lernen aus Niederlagen. 

Das entspricht den Grundgedanken des Wettbewerbs. Wer aus Angst vor einer hohen Niederlage Spiele gegen vermeintlich übermächtige Gegner absagt, widerstrebt sich dem Wettbewerb an sich und hat dessen Grundgedanken damit absolut nicht verstanden.

Aushebelung des Wettbewerbs

Mindestens genauso unsportlich wie sanktionsfähig ist aber die Aushebelung des Wettbewerbs. Mit der Absage des Spiels nimmt man der gegnerischen Mannschaft nämlich nicht nur den Wettbewerb, sondern eben auch die Möglichkeit auf eine gute Leistung sowie ein gutes Ergebnis. 

Ein Beispiel verdeutlicht dieses Problem: Mannschaft A sagt das Spiel gegen Mannschaft B ab. Die Absage und die anschließende Wertung des Spiels bringen B drei Punkte und ein um zwei Tore verbessertes Torverhältnis ein. Wenn der unmittelbare Konkurrent von B, die Mannschaft C, aber gegen A antreten darf und das Spiel mit 6:0 gewinnt, hat C nicht nur genauso viele Punkte wie B, sondern auch ein um vier Tore besseres Torverhältnis. 

Das Problem lässt sich problemlos umdrehen: Mannschaft A sagt das Spiel gegen Mannschaft B ab. Die Absage und die anschließende Wertung des Spiels bringen A keine Punkte, aber eben auch ein nur um zwei Tore schlechteres Torverhältnis ein. Wenn der unmittelbare Konkurrent von A, die Mannschaft C, aber gegen B antritt und das Spiel mit 0:6 verliert, hat C nicht nur genauso wenige Punkte wie A, sondern auch ein um vier Tore schlechteres Torverhältnis.

Natürlich kann in beiden Fällen auch alles ganz anders laufen und – um im Bild zu bleiben – David gegen Goliath gewinnen. Wenn David gegen Goliath aber nicht gewinnt, weil David gegen Goliath gar nicht antritt, wird der Wettbewerb ausgehebelt und verfälscht.

Regulierung durch Sanktionen

Was folgen muss, ist eine drastische Verbesserung für Vereine, die von der Spielabsage betroffen sind, und eine Erhöhung der Sanktionen für Vereine, die die Spielabsage zu verantworten haben. Die Wertung eines Spiels mit drei Punkten und 2:0 Toren ist in dem Kontext fast schon lächerlich angesichts der Ergebnisse, die in vielen Landes-, Bezirks- und Kreisligen der Fußballverbände sonst so auftreten. 

Während an der Punkteregel (gottseidank) nicht zu rütteln ist, muss über eine drastische Erhöhung beim Torverhältnis nachgedacht werden. Eine Regulierung durch Geldstrafen macht dagegen wenig Sinn, weil davon nicht die betroffenen Vereine, sondern ausschließlich die Verbände profitieren. Eine Verbesserung für den Wettbewerb wird dadurch nicht erreicht.

Und das ist letztlich das, wofür wir kämpfen wollen.

Hinweis: Inzwischen hat der Kommentar in Fußballkreisen für große Unruhen gesorgt. Deshalb haben wir eine Klarstellung verfasst, in der wir unsere Vorwürfe entschärfen und konkretisieren.

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Benjamin Gries

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