Kabinengespräch :Thomas Rothe: „Andere Seite des Lebens zu sehen, erdet einen“

Im ersten Teil unseres Gespräches plauderte Benjamin mit Thomas über seine bisherigen Aufgaben im Verein und wie es ihm dabei erging. Im Anschluss an den offiziellen Teil sprach Thomas dann in einem weitestgehenden Monolog über die Sozialarbeit, das Ehrenamt, legendäre Aufstiegsfeiern und skurille Vorfälle beim Karnevalsfest.

Text:

Zeige Bild in LightboxThomas Rothe ist seit seinem zehnten Lebensjahr Mitglied unseres Vereins und hat in dieser Zeit einiges erlebt
Thomas Rothe ist seit seinem zehnten Lebensjahr Mitglied unseres Vereins und hat in dieser Zeit einiges erlebt

Ich kann euch schon viele Geschichten erzählen, bspw. aus dem Jahr 1986: da sind der Rainer Kaminski und ich als Trainer mit der U15 Staffelsieger geworden. Wir haben dann im Anschluss im Vereinshaus übernachtet. Irgendwann wachte ich morgens auf – man muss dazu sagen, ich hatte gerade mein erstes Auto bekommen (einen VW Derby, Anm. d. Red.) – und fand mein Auto nicht mehr wieder. Erst dachte ich, irgendwer hätte den geklaut, aber dann sah ich das Auto auf dem Sportplatz stehen. Die Mannschaft war in der Nacht oder am frühen Morgen heimlich aufgestanden, hatte sich meinen Autoschlüssel genommen, das Auto ohne den Motor zu starten auf den Sportplatz gerollt und genau zwischen die zwei Pfosten von dem hinteren Tor gestellt – das war der Hammer.

(schmunzelt)
Ich habe aber auch schon Dinge erlebt, die man eigentlich nicht erzählen darf. (lacht)

Zum Beispiel?
Ende der Achtziger Jahre haben wir beispielsweise mal ein Straßenschild mitgehen lassen, das dann hier im Vereinshaus hing. Blödsinnigerweise hatten wir dann einige Tage später mit der Stadt Wiehl eine Begehung, weil wir das Vereinshaus umbauen wollten – und da hing das Schild da drüben an der Wand. Das war schlecht. Da haben wir auch vollkommen zu Recht einen Einlauf bekommen. (lacht)

Ein Produkt legendärer Boxbesuche.
Ja. Legendär waren natürlich auch unsere Aufstiegs- und Meisterfeiern diverser Art.

Welche Feiern hast du miterlebt?
Mit der Zweiten habe ich zwei Aufstiege in die Kreisliga B miterlebt. Da war ich selbst Spieler. (überlegt) Außerdem einen mit der Ersten: da war ich gerade aus der U19 herausgekommen (im Jahr 1984, Anm. d. Red.) und erlebte den Aufstieg in die Kreisliga A passiv mit. Ich selbst habe damals noch nicht gespielt, weil es damals noch keine Seniorenerklärungen gab bzw. ich keine hatte. Im nächsten Jahr allerdings habe ich dann auch Kreisliga A spielen dürfen. Das weiß ich heute noch: In meinem allerersten Spiel – die Vorbereitungsspiele waren klasse, ich war Stammspieler – spielten wir gegen Ründeroth. Mein Gegenspieler hieß Wolfgang Träger – ein absolut grandioser Fußballer, der auch einen recht großen Namen in der oberbergischen Fußballszene hatte. Für mich war das damals ein älterer Mann, gegen den ich spielen sollte. Ich habe in einer Halbzeit nicht ein einziges Mal den Ball berührt – nicht ein einziges Mal! Unser Trainer Jürgen Behrens hat mich dann ausgewechselt. Für mich ist in dem Moment eine Welt zusammengebrochen – ich habe ... ich bin nicht ein einziges mal an diesen Ball rangekommen. Der war so stark, so abgeklärt – und ich hatte einfach keine Chance gehabt. Das war mein erstes Spiel in der Kreisliga A.

Das klingt sehr traurig. Bist du danach noch eingesetzt worden?
Ja, natürlich. Allerdings war der Uwe Funke schon damals überragend und viel besser als ich es jemals war – wir beide kamen damals ja gemeinsam aus der U19 raus. Uwes Klasse sah man dann auch – er ist dann ja auch relativ schnell Stammspieler geworden. Ich war eigentlich immer eher so Ersatzspieler, bin dann – glaube ich – 1986 in die zweite Mannschaft gegangen und dort auch schnell Stammspieler geworden. Dort habe ich dann eine wunderschöne Zeit erlebt. Wir hatten damals richtig gute zweite Mannschaften und sind unter anderem zwei Mal in die Kreisliga B aufgestiegen – das waren schon echte Highlights. Thomas Tröster war damals einer unser Trainer. Mit ihm sind wir zweimal aufgestiegen. Es kann aber auch einmal der Uwe Schmitz unser Trainer gewesen sein – ich bin mir nicht ganz sicher. Da stand der Thomas nach dem Aufstieg jedenfalls hinten in der Wiehl: klatschnass, geiles Wetter und wir haben hier die Sau rausgelassen. Das war ein Tag – da haben wir Bielstein auf den Kopf gestellt. Der damalige Vereinskneipenwirt des Fässchens hat uns massig Freibier ausgegeben – vielleicht so 150 Liter, ich weiß es nicht mehr. Auf jeden Fall haben wir das Fässchen an dem Tag direkt nach dem Spiel belagert. Später haben wir jedes Auto angehalten, das durch Bielstein fuhr. Alle haben von uns eine Bierdusche bekommen und wurden mit Kölsch getauft. Wir hatten ja auch Kölsch ohne Ende da und hatten zusätzlich noch selber Freibier. Der Wirt hat an dem Abend natürlich nichts an uns verdient. (schwelgt in Erinnerungen) Damals hingen überall die Plakate, dazu eine Fahne und ein riesiger Banner. Thomas (Tröster, Anm. d. Red.) hatte damals extra noch eine Fahne anfertigen lassen – wirklich eine Riesen-Fahne. Die haben wir früher auch mal gehisst, wenn es irgendwas zu feiern gab. Irgendwann war sie weg. Vielleicht hat sie Weiershagen geklaut ... (lacht) Das war jedenfalls so die derbste Meisterfeier, die ich je miterlebt habe – bis morgens früh um 6 Uhr, da ging nichts mehr. Boah. Damals haben uns die Spielerfrauen auch einen Meisterkuchen gebacken. Volker Karthaus, unser Kapitän, hat den dann von den Frauen überreicht bekommen – mit dem Schriftzug „BSV Bielstein“ drauf. Das war toll.

Immer wieder kommt es zu kleineren Pausen, in denen Thomas in sich geht und tief aus seinem Gedächtnis die Geschichten herauskramt. Eine davon erlebte er an der Lingesetalsperre.

Mir fallen viele Dinge auch erst dann auch ein, wenn ich Bilder sehe. Verschiedene Sachen und Verbindungen – auch mit verrückten Typen, die man erlebt hat. Einer dieser Typen war Okan Tonbulka, ein absoluter Ausnahmefußballer, der hinterher zu Viktoria Köln gegangen ist. Okan spielte damals in der U13. Stefan Gliedner war auch so einer, ein absolutes Talent, der später zum TuS Höhenhaus gewechselt ist. Beim TuS hat sich der 1. FC Köln später immer bedient. Naja, jedenfalls kam dann irgendwann die erste Tour, die wir mit der Mannschaft gemacht haben. Da ging es an die Lingesetalsperre in Marienheide zum Zelten – bei 30 Grad. Wir fuhren für drei Tage an die Lingesetalsperre und was macht Okans Mutter? Packt dem armen Jungen Klamotten ein, als ob er zur Kommunion gehen würde. Da lief Okan in Anzugshose und mit teurem Hemd herum. Und was macht Okan? Er springt genau mit diesen Klamotten, den teuren Klamotten, in die Lingesetalsperre rein. Wie ein begossener Pudel stand er da, in den teuren Klamotten!

Arthur war auch so ein verrückter Typ. Wir waren damals am Biggesee – das war eine ganz, ganz tolle Tour. Wann war das? 2004? Auf jeden Fall hat alles super geklappt – die Jungs haben sich auch vorbildlich verhalten. Bis auf meinen Torwart Arthur, der dann meinte: „Ich lass' mich mal von zwei Leuten auf die Insel herüberpaddeln.“ Die Jungs hatten von den Nachbarn, die wir dort kennengelernt hatten, ein Schlauchboot bekommen und sind dann herüber auf die andere Seite gepaddelt. Ich hatte mein kleines Fernglas dabei und fragte mich: „Mensch, was macht der denn da auf der anderen Seite? Wer klettert denn da den Baum hoch?“ Ein Riesenbaum, der über das Wasser ragte – bestimmt sieben, acht Meter groß. Ich dachte nur: „Oh Gott!“ Und dann sprang der darunter. Da ist der Arthur auf einen Riesenbaum geklettert, um darunter zu springen. Unglaublich! Da war ich natürlich dann auch ein bisschen sauer. Arthur ist dann natürlich auch gleich Abends noch etwas passiert. Beim Versuch, mit einem Messer eine Flasche aufzumachen, schnitt er sich einmal komplett in die Hand. Das hörte dann nicht mehr auf zu bluten. Da bin ich noch am selben Abend mit ihm ins Krankenhaus nach Olpe gefahren – bis spät Abends saßen wir dann dort mit dickem Verband, hin und her. Oh Gott, das werde ich nie vergessen. Irgendwann sind wir dann wieder zurückgefahren und haben noch schön mit anderen Gruppen auf dem Zeltplatz gefeiert. Der Arthur hatte natürlich ziemliche Schmerzen, der Arme (lacht). Er hat nachher noch Schmerztabletten genommen – dann ging es. Das waren aufregende und lustige Geschichten. Die Tour war ansonsten aber super: unsere Jungs haben sich super verhalten. Jeden Morgen ist zum Beispiel der Alex Pethe aufgestanden und hat Müll eingesammelt. Frei nach dem Motto „Och, ich kann eh nie lange schlafen“ lief er dann umher und sammelte alles ein – unser Platz sah immer aus wie geleckt. Das fande ich toll, muss ich sagen. Wir hatten aber auch einfach Glück: 35 Grad im Schatten, drei Tage lang. Wir sind nur in Badehose herumgelaufen. Das war einfach total schön und wir haben ein superschönes Wochenende da erlebt. Unseren Zeltplatz hatten wir beispielsweise direkt dort, wo sie die Boote immer hereinlassen, quasi wie so eine Rampe. Da haben wir dann die Tische aufgestellt, richtig schön gefrühstückt und abends gegrillt – das war schon ein tolles Erlebnis. Da saßen wir dann – zusammen mit einer anderen Gruppe. Ich glaube, das waren nur Mädels. Ich weiß noch, wir haben die Betreuer verarscht – ne, was haben wir die verarscht. Das war echt geil.

Inwiefern?
Ja, die waren so christlich angehaucht und kamen irgendwie aus dem Ruhrgebiet. Und dann sagten die immer so: „Ja, aber die Jungs mit der Flasche in der Hand, und dann auch ausschließlich Jungs?“ „Ja“, sagte ich, „die 16-Jährigen trinken zwei, drei Bier am Tag. Das habe ich denen erlaubt.“ Sie sagte dann auch noch „Bei uns ist Alkohol strikt verboten!“. „Ja“, sagte ich, „die Jungs sind ja auch schon etwas älter.“ Ich sach': „Sach ma, wie macht ihr das denn mit der Verhütung?“ Ich sach': „Ich hab‘ allen meinen Jungs … die haben alle von mir fünf Kondome gekriegt.“ Das hatten sie natürlich nicht. Und sie fragte: „Oh, echt jetzt?“ „Ja“, ich sach', „ist auch wichtig. Das ist Grundvoraussetzung. Das machen wir immer so bei uns im Verein. Immer, wenn wir mit 16-Jährigen auf Tour fahren, bekommen die pauschal – vom Verein aus – Kondome in blau und gelb, unseren Vereinsfarben.“ Und das hat sie uns voll abgekauft. Da kam sie auch die ganze Nacht nicht darüber hinweg. Die Frau hatte auch viel Wein getrunken und war nachher schnuseldudeldicht – das war die Leiterin von der ganzen Gruppe. Das war schön. Nachher saßen wir dann mit den Betreuerinnen von denen zusammen, die Jungs natürlich mit den Mädels, da haben wir gelacht. Jedenfalls löste ich unsere kleine Lüge am nächsten Tag auf. Sie sagte nur „Du Arschloch“.

Generell muss ich einfach sagen: Man erlebt unheimlich viel mit den Kindern und Jugendlichen. Das ist eine super spannende Sache und hat mir immer Spaß gemacht. Meinen Zivildienst habe ich beispielsweise in der „Jugendwerkstatt für Schwererziehbare“ gemacht. Das war eine unfassbar große Herausforderung, weil das alles Kinder aus extremst sozial benachteiligten Familien waren, wo eben auch viel die Faust eine Rolle spielte – insbesondere auch von den Elternteilen. Vom sozialen Hintergrund war das wirklich abgrundtief schlecht – richtig verarmt. Es erdet einen, wenn man mal wirklich die andere Seite des Lebens sieht. Ich finde, dass es wichtig ist, dass man auch einfach mal sieht, wie gut es einem geht. Was diese Kinder wohl heute machen? Ich behaupte mal, 90 Prozent der Kinder, die ich in meinen 15 Monaten Zivildienst da miterlebt habe, haben keine Zukunft gehabt. Da waren ganz wenige, die danach mal in eine Lehrstelle oder generell arbeiten gegangen sind. Die hatten einfach keine Disziplin bzw. haben es auch nicht zuhause beigebracht bekommen, mal eine Arbeit zu machen und ruhig und konzentriert dabei zu bleiben. Ziel der Einrichtung war es zum Teil auch nur, dass sie sich daran gewöhnten, morgens aufzustehen, um 8 Uhr anzufangen, um 12 Uhr Mittag zu machen und um 13 Uhr weiterzuarbeiten. Sowas prägt einen schon. Ich habe mit den Jungs die Ballkisten, die hier im Raum stehen, gebaut. Da habe ich damals den Kalle und den Wolfgang (Sozialarbeiter und Werkstattmeister, Anm. d. Red.) gefragt. Das muss das Jahr 1992 gewesen sein. Ich sach': „Wir brauchen Ballkisten.“ Dann haben wir damals drei Ballkisten gebaut, haben die lackiert – eine gelb, zwei blau. Eine ist jetzt glaube ich noch übrig. Und dann habe ich die mit den Jungs hier heruntergebracht. Die waren begeistert, dass sie ein Projekt hatten, was sie verwirklichen konnten – das war schon schön.

Schön waren bestimmt auch die Karnevalsfeste, von denen du zu Beginn unseres Interviews sprachest. Was hatte es damit auf sich?
Zu dem Zeitpunkt (1995, Anm. d. Red.) war das Karnevalsfest unseres Vereins nicht mehr das, was es einmal war. Das Fest war historisch eines der ersten bzw. in Wiehl tatsächlich das erste Fest in Sachen Karneval. Rainer Klocke wurde in dem Jahr jedenfalls erster Vorsitzender und ich vom Jugendleiter zum zweiten Vorsitzenden gewählt. Irgendwo standen wir dann davor, das Karnevalsfest neu zu organisieren. Es kamen nicht mehr soviele Leute dort hin und ich habe damals gesagt: „Rainer, wir probieren mal etwas neues“. Ich hatte damals echt Glück gehabt, dass ich zwei Personen kennengelernt habe. Erstmal den Jürgen Spieß. Jürgen kam aus Ründeroth und hatte auch schon einige Veranstaltungen für den Ründerother Karnevalsverein organisiert. Er hatte mir mal so die ersten Kontakte verschafft.

Dann hatte ich ganz großes Glück, d.h. eigentlich Pech für den Jürgen Spieß, denn der Jürgen Spieß ist ein Jahr später gestorben. Der Gerd Gottow, der noch ein altes Vereinsmitglied von uns ist, hat mir dann aber jemanden vermittelt – den Willi Baldus aus Engelskirchen. Das war eines der Dinge, die im Leben einfach so passieren. Willi ist ein Ur-Karnevalist, ein Ur-Kölner, der jede Karnevalsgröße in Köln per „Du“ kannte. Dem habe ich dann nach unserem Karnevalsfest unser Problem geschildert. Ich sach': „Dat, dat und dat. Wir wissen nicht genau, wie man so etwas aufzieht, und wir haben auch kein Geld für eine Agentur, die wir beauftragen könnten.“ Und dann sagte er: „Ich helfe euch.“ Er besorgte uns dann die ersten Kontakte und half uns bei der grundlegenden Organisation eines solchen Festes.

Zudem habe ich dann bei der Bezirksregierung angefangen und da natürlich auch Kontakte geschlossen. So war das dann. Willi hat dann bei uns den Moderator gemacht – Sitzungspräsident, so nennt sich das damals. Der war natürlich ein Profi, der hat das einfach drauf gehabt. Der konnte die Leute einfach mobilisieren, hat früher schon viele Sitzungen beim 1. FC Köln oder den Kölner Haien gehabt – der war in allen großen Karnevalsläden als Sitzungspräsident involviert. Willi war einfach ein Geschenk für uns und hat uns damals die vielen großen Künstler organisiert, z.B. die Buure, die Eschweiler Fanfaren, die Renate Fuchs. Aber eben auch lokale Gruppen – aus Engelskirchen „Männerballett und Fründe“ beispielsweise, die er sehr gut kannte und bei denen sein Sohn mittanzte. Die waren auch ein absolutes Highlight auf unserern Veranstaltungen. Wenn „Männerballett und Fründe“ – wir hatten sie sechs Jahre lang im Programm – kamen, rastete das Publikum immer völlig aus. Und der Michael Flick hat dann ja später die Moderation übernommen – Flicki war Schüler beim Willi. Erst haben sie das zusammengemacht, später dann hat Michael das komplett alleine moderiert.

Auch die Szenen hinter der Bühne werde ich nie vergessen – was mit den Gruppen auch alles passiert ist. Die „Flöckchen“ – ich weiß nicht, ob du sie kennst – sind Sänger aus Bergisch Gladbach. Das ist ein 250 Kilo Doppelpack mit einer total hübschen Tänzerin. Naja, hinter der Bühne kamen sie dann jedenfalls an. Wir hatten dort ja immer ein Fässchen stehen. Bei deren Ankunft nahmen sich die Knaben die Gläser, es machte „Zock, Zock, Zock“ und dann waren die drauf. Oder die Buure: die kamen an dem Abend an und ich habe sie unten am Parkplatz abgeholt. Man muss dazu sagen: die hatten eine riesige Session hinter sich und mit ihrem Karnevalssong „Rut, rut sin de Ruse“ den absoluten Knüller in diesem Jahr gelandet. Die waren halt super gebucht worden. Jedenfalls sahen die dann aus – wie ausgekotzt, total fertig. Dann fragte der Sänger mich: „Boah, wo können wir uns denn umziehen?“ Ich sach': „Hinten, im Klassenraum da.“ Und die Jungs kamen dann auch: „Hömma, wir sind was müd'. Mach' uns mal zwei Kränze.“ Vier Leute wohlgemerkt, inklusive des Technikers und des Fahrers. Ich dachte natürlich: „Mhm, ja, der Fahrer wird ja wohl nichts trinken“ Und dann habe ich die Kränze dahingestellt und dann ging das nur „Zock, Zock, Zock“. Glaube mir: danach sind die rausgegangen und haben Vollgas gegeben. Der Saal bebte ab der allerersten Minute – ich meine, die haben viel Geld gekostet, waren teuer. Aber das waren einfach Profis – von ganz unten auf Vollgas, in unter drei Sekunden. Das war schon geil.

Oder auch die Renate Fuchs aus Köln – in den Achtzigern und Neunzigern ein absoluter Star. Die war klein und dick, vielleicht 1,50 Meter groß. Sie trat dann immer in so ausgeflippten Kleidern auf, hat sich dann irgendwann ausgezogen und hatte dann Klamotten vom 1. FC Köln an. Total klasse, total geil. Ich war dann jedenfalls vor ihrem Auftritt mit ihr im Klassenraum – da war dann auch ein kleiner, runder italienischer Mann dabei. Das war ein lustiger Vogel, ihr Manager und Ehemann. Dann saßen wir da im Klassenraum und die Renate sagte nur: „So, jetzt bin ich mal die Lehrerin. Setz dich mal, Thomas!“ Währenddesen lief draußen die Show weiter und ich sagte: „Ja, eigentlich muss ich hinter die Bühne, das Fest weiter organisieren.“ Und sie sagte: „Setz dich mal, komm'. Pöppes auf den Stuhl. Was ist denn ein mal eins?“ Und so fing das an, hat die dann die Lehrerin gespielt – die war so lustig, so witzig. Die hat mich dann nachher auch auf die Bühne gerufen. Ich habe ihr die Blumen überreicht und dann hat sie mich gedrückt wie eine Irre: „Es war so schön bei euch – hier upp dem Land. Das gefällt mir so gut hier. Ich komme nächstes Jahr wieder.“ Sie war halt ebenfalls schweineteuer.

Aber was da auch für Pannen passiert sind an den Karnevalsfesten – unvergessen der Stromausfall im Jahr 2005. Hauptstromleitung durchgebrannt, um 23 Uhr. Die Band am Spielen und auf einmal ging das Licht aus. Überall stank es, so eine Leitung (zeigt tennisballgroßen Kreis) einfach durchgebrannt. Eine Stunde lang hatten wir keinen Hauptstrom mehr – Betriebselektriker von der Stadt Wiehl angerufen, nachts. Stefan Kapp war vor Ort, auch im Einsatz. Während dieser Zeit sind 200 Leute nach Hause gegangen, wir haben einen Umsatzverlust von 3.000 bis 4.000 Euro in dieser Nacht gemacht. Das war ganz bitter, ein ganz, ganz bitterer Abend – war wirklich schlimm. Da haben wir dann aber – glaube ich – von der Stadt Wiehl auch 2.000 Euro Entschädigung bekommen.

Irgendwann war das Interview dann zu Ende. So richtig enden tat es allerdings nie. Nach rund zwei Wochen traf man sich nochmals, um das Interview zu lektorieren – und hätte nach einer guten Stunde ein zweites Interview veröffentlichen können. Wer also noch mehr über den Menschen Thomas Rothe erfahren möchte, sollte Thomas auf seine Erlebnisse im Verein ansprechen – und ihn bloß nicht unterbrechen!

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Benjamin Gries

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