Kabinengespräch :Markus Kolzem: „Keinen falschen Ehrgeiz ausüben“

„Sommerpause ist doof“ dachten wir uns und führten deshalb nach den Gesprächen mit Thomas Rothe, sowie den Bayern- und Dortmund-Stars unser drittes Gespräch. Heraus kam eine interessante Unterhaltung mit dem Karnevalisten Markus Kolzem über Träume, Hintereingänge und falschen Ehrgeiz.

Text:

Lieber Markus: Wä dich nit kennt, dä kennt Kölle nit.
Das stimmt. (lacht)

Erzähl uns von dir. Wer bist du? Was machst du?
Mein Name ist Markus Kolzem, ich komme aus der schönsten Stadt der Welt (Köln, Anm. d. Red.) und arbeite hauptberuflich beim Trainings- und Bildungszentrum in Erkelenz. Nebenbei bin ich Sänger der Band Alpenkölsch und verweile vor allem an den Wochenenden am Campingplatz in Bielstein, um mich hier zu entspannen.

Erzähl uns mehr von deiner Gesangskarriere. Wie wird man erfolgreicher Schlagersänger? Siehst du dich überhaupt als Schlagersänger?
Ich würde mich eher als Karnevalist bezeichnen. Zu deiner Frage: Erfolg ist immer relativ, Bekanntheit trifft die aktuelle Situation dann schon eher. Man muss den Zuhörern vor allem vermitteln können, dass es Spaß macht, diesen Job zu machen, und dann zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein. Kommt man nicht durch die Vordertür herein, gibt es dann ja immer noch einen Hintereingang.

Wie sieht dieser Hintereingang aus?
Durch diesen Eingang kommt nur, wer hartnäckig ist und harte Arbeit leistet. Wie das alte Sprichwort sagt: ohne Fleiß, keinen Preis.

Das heißt konkret?
Wir haben hart an uns gearbeitet, um auf uns aufmerksam zu machen. Facebook hilft einem dabei natürlich ungemein. Doch letztlich kannst du so viel Werbung machen wie du willst; das wichtigste sind natürlich die Lieder und die entsprechenden Videos dazu. Erst dadurch haben uns die Leute tatsächlich kennengelernt.

Du bist ein typischer „Netzwerkler“, hast unheimlich viele Kontakte in und um Köln herum. Für mich die logische Konsequenz deines Werdegangs. Immerhin hast du beruflich wie privat viel erlebt: ausgebildet als Werkzeug- und Maschinenschlosser für Feinmechanik, ging es für dich direkt nach der Ausbildung zu einem Radiosender. Dort bliebst du sechs Jahre lang, bis du Angestellter der Deutschen Sporthochschule wurdest. Als sei das Ganze nicht verrückt genug, machtest du dich nach wiederum 7 Jahren als Koch selbstständig. Bevor du schließlich deiner heutigen Tätigkeit nachgingst, bildetest du für zwei weitere Jahre neue Gabelstapler- und Bauschmaschinen-Führer-Auszubildende aus. Sag’s uns: Von welchem Beruf träumte der kleine Markus als pubertierendes Früchtchen?
Soldat, Polizist oder Fußballer.

Woran hat’s gelegen, dass du kein Polizist geworden bist?
Im Alter von 18 Jahren hatte ich einen sehr schweren Sportunfall, bei dem ich mir wohl alle Bänder und Knochen zerstörte, die in einem Bein so existieren. Anschließend musste ich für sechs Monate einen Gips tragen. Wenige Tage, nachdem ich genesen war und langsam wieder mit dem Sport anfangen wollte, verletzte ich mich dann erneut – an der gleichen Stelle und mit der gleichen Verletzung. Obwohl mich der Bund zuvor als T1 (bestmögliche Musterungsstufe, Anm. d. Red.) eingestuft hatte, musterte man mich nun aus. Damit waren zugleich auch alle Träume von einem Job als Polizist geplatzt.

Vermeintlich traumhaft wirkte wahrscheinlich auch deine Aussicht auf eine Fußballer-Karriere zu diesem Zeitpunkt: scheinbar hattest du es wirklich drauf und hättest unter anderem für den 1. FC Köln spielen können. Woran lag es, dass es letztlich vielleicht doch nicht so traumhaft war, wie wir uns das wahrscheinlich alle vorstellen?  
Bedingt durch die beiden schweren Verletzungen in einem sehr kurzen Abstand hätte ich noch einmal von vorne anfangen müssen. Die Lust und die Kraft, noch einmal neu anzugreifen, spürte ich zu dem Zeitpunkt aber nicht mehr. Deshalb habe ich mich fortan einfach auf meinen Job konzentriert.

Markus, es war vor allem eine Zeit, die deiner Gesundheit nachhaltig schadete. Neben den Verletzungen hat auch dein Ehrgeiz, trotz Verletzung spielen zu wollen, zu deinem frühzeitigen Karriereende beigetragen. Warst du zu ehrgeizig? Und wenn ja, woher kommt dieser Ehrgeiz?
Ich denke schon, dass ich etwas zu ehrgeizig war. In allem, was ich mache, bin ich wahrscheinlich zu ehrgeizig. Wenn ich was mache, will ich auch oben sein. Sonst gehe ich solche Projekte nicht ein. Woher das kommt? Wohl aus der Familie. Schon mein Opa war ein sehr guter und ehrgeiziger Fußballer, der nach dem Krieg für Lebensmittel gegen die Kugel kickte. Auch mein Papa konnte gut Fußball spielen – obwohl er erst mit 17 Jahren angefangen hat. Derzeit ist wohl meine Cousine die erfolgreichste Fußballerin unserer Familie. Sie spielte unter anderem schon für den 1. FC Köln und läuft derzeit für die Fortuna aus Köln auf. Direkt dahinter kommt dann schon meine Kleine, auch bekannt als Toki.

Du sagtest, du warst zu ehrgeizig. Philosophische Frage: Geht das überhaupt? Zu starker Ehrgeiz?
Ich denke schon und bin auch der Meinung, dass das nicht unbedingt schlecht ist. Man sollte Ehrgeiz und den damit verbundenen Anspruch aber immer nur an sich selbst stellen, nie an jemand anderen.

Wie meinst du das?
Man sollte keinen falschen Ehrgeiz ausüben, z.B. an seinen Kindern. Das wäre verrückt.

Deine Tochter (Tokessa Hoevel, Spielerin der U15 M, Anm. d. Red.) könnte in deine Fußstapfen treten. Obwohl sie wie du relativ lauffaul ist, trifft sie für die Mädchen regelmäßig das Tor. Der Hauptgrund dafür ist ihre herausragende Technik. Das Erbe ihres Vaters?
Dazu passt die Geschichte ihrer Kindheit. Als Toki noch sehr klein war, konnte sie noch nicht laufen, wollte aber immer schon einen Ball vor sich herschieben. Das ging auch. Sie war von klein auf immer mit auf dem Fußballplatz und ist – was die Technik angeht – auch sehr ehrgeizig zu sich selbst. Selbst in ihrem eigenen Zimmer spielt sie täglich zwei bis drei Stunden mit dem Ball.

Dein Papa hat dich zu einem Wechsel zu höheren Vereinen abgehalten. Würdest auch du deine Tochter dahingehend überreden wollen oder möchtest du sie vor eigenen „Fehlern“ schützen?
Nein, sie hätte schon im letzten Sommer wechseln können. Ich habe es aber abgelehnt, weil sie erst einmal „Kind“ sein und ihre freie Zeit genießen soll. Wer weiß, was in zwei Jahren ist? Sie ist dann alt genug, um ihre eigene Entscheidung zu vertreten. Vielleicht will sie ja auch in Bielstein bleiben.

Wir sagen’s mal, wie es ist: du bist bewundernswert. Wenn deine Zeit und das Wetter es zulassen, erscheinst du mit deiner Tochter selbst unter der Woche regelmäßig zum Training. 55 Kilometer hin, 55 Kilometer zurück. Was treibt dich an?
Wenn man Kinder auf die Welt bringt, sollte man meiner Meinung nach das gesamte Herzblut darein stecken, dass sie glücklich sind. Es gibt für mich nichts Schöneres, als meine Kinder glücklich und zufrieden zu sehen. Dazu zählt für mich auch das Hin-und-Her-Fahren. Da man Erziehung mit getrennten Augen sehen kann, finde ich, dass ich alles richtig gemacht habe.

Am Wochenende verweilst du oft am Campingplatz, der Weg zum Sportplatz ist also ungleich kürzer. Wie kommt ein Kölner auf die Idee, sich in Bielstein zu erholen?
Wir sind durch Bekannte darauf gekommen, die uns den Campingplatz wärmstens empfohlen haben. Zunächst wollte ich davon nichts wissen und habe meine Familie erst einmal vorgeschickt. Weil die aber so begeistert waren, kam ich ein Jahr später mit dazu und habe es mir einmal angeschaut. Und es gefiel mir. Wie immer haben wir dann auch sehr schnell Anschluss gefunden. Schließlich sin et fass alles Kölsche hier. Es passte - auch mit den U15 Mädchen vom BSV.

Stellt der Campingplatz für dich nicht auch eine Erholung von deinen zahlreichen Auftritten dar?
Erholung brauche ich nicht wirklich, weil es mir Spaß macht. Für etwas was Spaß macht, braucht man meiner Meinung nach keine Erholung.

Kurz gefragt: Was gefällt dir besser? Mallorquinische Szenedisko oder Kölsches Brauhaus?
Obwohl wir in unserem neuen Titel „Durst ist schlimmer als Heimweh“ genau das Gegenteil predigen, gefällt mir persönlich das Kölsche Brauhaus deutlich besser. Nur en Kölle han ich kei Heimwieh.

Schlussfrage hinterher: Wenn der BSV Bielstein bei dir anfragen würde und ein Vereinslied komponiert und produziert haben wöllte: wie würdest du reagieren?
Sofort. Da brauch ich nur einige Angaben und los geht‘s.

Lieber Markus, wir bedanken uns für das interessante Gespräch und wünschen dir alles Gute und viel Erfolg bei allem, was du anpackst. Bleib' gesund!

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Benjamin Gries

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